- Wir haben das heutige Urteil des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden einer Reihe journalistischer Organisationen – wie Reporter ohne Grenzen (ROG), die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) – gegen das 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.
- Die Neuregelung des 2017 im Kraft getretenen BND-Gesetz war von Anfang an höchst umstritten, es bestanden erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität.
- Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heutigen Entscheidung die Gelegenheit ergriffen, mit einem Grundsatzurteil den Überwachungsbefugnissen von Nachrichtendiensten klare Grenzen zu setzen und der Bundesregierung Vorgaben für eine verfassungskonforme Ausgestaltung zu machen.
- Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, das BND-Gesetz bis Ende 2021 nachzubessern und die vom Gericht geforderten verfassungsrechtlich gebotenen Korrekturen vorzunehmen.
- Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil bestätigt, dass das BND-Gesetz in mehrfacher Hinsicht und insbesondere in allen zentralen Paragrafen verfassungswidrig ist.
- Es hat in seinem Urteil die Grundsatzfrage nach einer territorial-räumlichen Geltungskraft und extraterritorialen Schutzwirkung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) dergestalt entschieden, dass dieses prinzipiell auch für Ausländer im Ausland gilt.
- Damit wird das Fernmeldegeheimnis im Zeitalter digitaler Kommunikation deutlich gestärkt und auf die Erfordernisse des virtuellen Cyberraums ausgedehnt.
- DE-CIX sieht sich daher in seiner Entscheidung bestätigt, gegen uns selbst betreffende Anordnungen auf Basis des BND-Gesetz bereits in 2018 Klage eingereicht zu haben.
- Die Mehrzahl unserer eigenen Einwendungen wurden mit der heutigen Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun auch im Sinne unserer eigenen Klage entschieden.
- Erkennbar ist bereits jetzt, dass seitens des Bundesverfassungsgerichts eine deutlich umfassendere, unabhängige und vor allem vorab erfolgende Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen des Dienstes gefordert wird. Auch diese Forderung deckt sich mit den von DE-CIX erkannten Mängeln der bisherigen Praxis.
- Dem weiteren Fortgang unseres Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sehen wir nun mit großem Interesse entgegen.
- Eine vollständige Analyse der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und seiner Auswirkungen auf die künftige Gesetzgebung, welche auch den DE-CIX erneut betreffen wird, wird uns erst nach genauer Durchsicht der vollständigen schriftlichen Urteilsbegründung möglich sein. Einfach wird die Umsetzung der umfassenden Auflagen jedoch in keinem Fall werden.
DE-CIX betreibt weltweit über 20 Internetknoten in Schlüsselmärkten wie Europa, Nordamerika, Indien, dem Nahen Osten und Südost-Asien. DE-CIX in Frankfurt ist der weltweit größte Internetknoten mit einem Datendurchsatz von mehr als 9,1 Terabits pro Sekunde (Tbps).
Hintergründe zur den DE-CIX Klagen gegen den BND:
- Die DE-CIX Management GmbH ist ein Empfänger von Anordnungen des BND (als ausführende Behörde für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland), welche alternierend auf dem G10-Gesetz – die sogenannten „strategischen Fernmeldeaufklärung“ - als auch auf dem BND-Gesetz – die sogenannte „Ausland-Ausland Fernmeldeaufklärung“ - beruhen.
- Diese Anordnungen berechtigen den BND, am Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main Daten in signifikantem Umfang auszuleiten.
- Mitte September 2016 hat die DE-CIX Management GmbH Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, gegen die Anordnungen des G10-Gesetzes sowie im März 2018 gegen die Anordnungen des BND-Gesetzes beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig eingereicht.
- Die Klage in Sachen G10 wurde nach der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2018 vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen und dabei in weiten Teilen inhaltlich nicht behandelt. Die Urteilsbegründung ist unter https://www.bverwg.de/de/300518U6A3.16.0 verfügbar. Die Klage in Sachen BND-Gesetz und ihre inhaltliche Behandlung wurde am 22. November 2019 ausgesetzt.
- DE-CIX hatte daraufhin im Herbst 2018 Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1865/18 anhängig.