Artikel

Die Fabrik der Zukunft – 5 Gründe, warum 5G einen Wendepunkt für die Fertigungsindustrie darstellt

Dr. Thomas King, CTO DE-CIX

Lokal begrenzte 5G-Mobilfunknetze bieten für die industrielle Produktion zahlreiche Vorteile. Nachdem 5G-Campusnetze in Forschungsprojekten ihr Potenzial bewiesen haben, ist das Interesse der Fertigungsindustrie groß. Da die Smart Factory von morgen eine drahtlose, absolut zuverlässige Kommunikation mit hoher Bandbreite und niedriger Latenz zwischen einer Vielzahl von Sensoren, Maschinen, KI-Funktionen und mehreren externen Netzwerken erfordert, sind 5G-Campusnetze für die Fertigungsindustrie so interessant. Eine Vielzahl von Branchen hat sich der Technologie angenommen. Dazu gehört unter anderem die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa mit ihrem vor der Covid-19-Pandemie eingerichteten 5G-Campusnetz, das während der Covid 19-Pandemie zu einer essenziellen und produktiven Schnittstelle für technische Inspektionen wurde. Inzwischen haben Automobilhersteller wie BMW, Mercedes-Benz, VW und Ford angekündigt, dass sie ihre eigenen 5G-Campusnetze für Testzwecke aufbauen. Viele dieser Pläne werden derzeit noch umgesetzt, sodass die Fabrik der Zukunft noch in den Startlöchern steht.

Was kann 5G, was WiFi 6 nicht kann?

5G ist ein Meilenstein hinsichtlich der über ein Mobilfunknetz übertragbaren Datenmenge. In der Spitze sind Datenraten von bis zu 20 Gbit/s möglich. Zudem können bis zu einer Millionen Geräte pro Quadratkilometer angeschlossen werden. Daten werden äußerst zuverlässig bei einer Latenzzeit von lediglich einer Millisekunde übertragen.

Mögliche Alternativen, wie die neueste WiFi-Generation, WiFi 6, haben im Vergleich zu 5G erhebliche Nachteile. Zwar ermöglicht WiFi 6 höhere Bandbreiten, aber diese lohnen sich vor allem für häusliche Anwendungen wie Videostreaming in 4K. 5G eignet sich viel besser für intelligente Fabriken und Produktionsanlagen, weil eine viel geringere Latenz und eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit möglich sind. Während WiFi 6 eher auf den Heimbereich und auf Konnektivität für bis zu 100 m² Fläche abzielt, ermöglicht 5G außerdem Funkzellen im Bereich von mehreren hundert Metern in jede Richtung.

Dr. Thomas King, CTO bei DE-CIX, dem weltweit führenden Betreiber von Internet Exchanges (IXs), hat fünf Trends im Fertigungssektor zusammengestellt, die das Potenzial der 5G-Konnektivität aufzeigen.

1. Digitale Zwillinge für Simulation, Entwurf und Prüfung

Digitale Zwillinge sind heute Grundlage für die Arbeiten in Smart Factories. Ein digitaler Zwilling ist genau das, was der Begriff erahnen lässt: ein virtuelles Modell eines Produkts, eines Systems oder eines Prozesses für Simulationen, Entwürfe und Tests. Angeführt von den Fertigungs-, Automobil- und Luftfahrtindustrien wird sich der Einsatz digitaler Zwillinge bis 2030 voraussichtlich verzehnfachen. Prognosen besagen, dass bis 2027 über 90 Prozent aller IoT-Plattformen digitale Zwillinge verwenden können. Virtuelle Zwillinge von Maschinen nutzen topaktuelle Daten ihres realen Gegenstücks. So können diese vorausschauend gewartet werden, noch bevor sich Probleme tatsächlich bemerkbar machen. Ebenso können Lieferketten-Systeme modelliert werden, um Engpässe zu erkennen und Lagerbestände zu optimieren. All diese digitalen Zwillinge verwenden Daten, die von Sensoren an den realen Maschinen erzeugt und in die Simulation eingespeist werden müssen.

2. Robotics-as-a-Service (RaaS) zur Reduzierung der (Vorab-)Investitionen

Der Automobilsektor war mit enormen Investitionen in automatisierte Produktionsanlagen ein Vorreiter im Einsatz von Robotik für Fertigungsprozesse. Weil andere Sektoren langsam nachziehen, ist das Interesse an einem kostengünstigen Einstieg in diese Technologie groß. Dies führt zu einem zunehmenden Interesse an Robotics-as-a-Service. Bei diesem Geschäftsmodell verleiht der Robotikhersteller die Roboter an die Fabrikanten und kümmert sich anschließend aus der Ferne um den Betrieb, die Überwachung und Wartung der Roboter. Für solche Anwendungsfälle ist eine Konnektivität mit hoher Bandbreite und geringer Latenz zwischen den Maschinen in der Fabrikhalle und dem Rechenzentrum des Robotikbetreibers erforderlich, damit Telemetriedaten sowie hochauflösende Bilder und Videos mit sehr geringer Zeitverzögerung übertragen werden.

3. Fernwartung – Sicherheit geht vor, auch aus der Ferne

Wie bereits einleitend erwähnt, war die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa Anfang 2020 einer der Pioniere beim Aufbau eines 5G-Campusnetzes für ihren Geschäftsbereich Engine Services. Frühere Versuche mit WiFi-Lösungen hatten zu einer unzureichenden Bildqualität geführt, die keine präzise Diagnose ermöglichte. Dank der höheren Bandbreite und der niedrigeren Latenz durch 5G können hochauflösende Fotos und Videos zur Verfügung gestellt werden. Damit wurden in Zeiten von Covid-19 Ferninspektionen zu einer praktikablen Alternative zu den üblicherweise bevorzugten Vor-Ort-Inspektionen.

4. Virtuelle und augmentierte Realität

Augmented Reality (AR) steigert die Effizienz bei Designarbeiten. Elemente wie Möbel können auf einem Live-Videobild eines Raumes angezeigt und in Echtzeit vom Designer bewertet und ausgewählt werden. Die Automobilindustrie bietet hingegen immer öfter die Individualisierung auf Basis von virtueller Realität (VR) an. In der immersiven VR-Umgebung wählt der Endkunde auf Grundlage des Standardchassis unterschiedliche Karosserieformen aus und gestaltet die Innenausstattung den eigenen Vorstellungen entsprechend. Der Kunde macht sich so frühzeitig ein realitätsnahes Bild vom Design und kann dieses wie gewünscht verändern. Teilweise können diese modifizierten Karosserieteile bereits durch 3D-Druck hergestellt werden. Eine Verbindung mit sehr hoher Bandbreite und geringer Latenzzeit zwischen dem Rechenzentrum bzw. der Cloud des Unternehmens und den Zugangsnetzen der Endnutzer ist nötig, um den digitalen VR-Zwilling bereitzustellen. Eine solche Hochleistungskonnektivität stand den Endnutzern bisher nur über Glasfaserverbindungen zur Verfügung – 5G wird jedoch auch immersive Erlebnisse über mobile Konnektivität ermöglichen.

5. Intelligente und autonome Logistik

Das Beratungsunternehmen Gartner prognostiziert, dass Großunternehmen bis 2026 bei 75 Prozent der Lagerarbeiten so genannte Smart Robots in der Intralogistik einsetzen werden, die mittels 5G gesteuert werden. Für die Logistik außerhalb des Firmengeländes wird sich 5G jedoch noch stärker auswirken. Die Transparenz der Lieferkette wird erhöht, indem die Echtzeitverfolgung von Sendungen auf dem Transportweg möglich wird. 5G bringt zudem die Verwendung von autonomen Fahrzeugen einen deutlich Schritt nach vorn. Erste Testumgebungen für autonome Lastwagen und Logistiksysteme sind bereits in Betrieb. Die Verknüpfung intelligenter Logistik mit Unternehmensressourcen wie ERPs, Lagerbeständen und Lieferketten-Management-Systemen liefert detaillierte Informationen und ermöglicht mehr Kontrolle. Die Covid 19-Pandemie hat nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass Firmen genau dies anstreben sollten.

5G campus network

5G-Campusnetzwerke benötigen eine intelligente Verbindung zu externen Partnern und Ressourcen

Eine Smart Factory kann nicht isoliert existieren – das 5G-Campusnetz muss direkt und sicher mit den Netzen verbunden sein, mit denen es Daten austauschen muss. Von außen eingespeiste KI ist eine Grundvoraussetzung für die Funktionsweise der meisten beschriebenen Anwendungen. Darüber hinaus sind die IoT-Geräte häufig auf die Kommunikation mit Cloud-Diensten (z. B. zur Aggregation von Daten oder zur Ermöglichung von Analysen) und Cloud-basierten Anwendungen (z. B. ERP, KI usw.) angewiesen. Es ist zudem wahrscheinlich, dass sich auch das Rechenzentrum außerhalb der Smart Factory-Grenzen befindet. Zunächst müssen also die Produktionsanlagen mit dem Unternehmensrechenzentrum verbunden werden. Bei kundenorientierten Systemen, wie z. B. VR-Individualisierung durch Endnutzer, müssen bestimmte Elemente des Systems darüber hinaus öffentlich zugänglich gemacht werden.

Über eine Interconnection-Plattform können mehrere Optionen für eine Service-Level-Agreement--gesicherte, hochleistungsfähige, latenzarme und äußerst robuste Konnektivität zu Clouds und Partnernetzwerken verwaltet werden. Auch die Verbindung vom Campus zum unternehmenseigenen Rechenzentrum als sichere Punkt-zu-Punkt-Privatleitung ist über eine solche Plattform möglich.

Mittels einer Interconnection-Plattform und einem Cloud Exchange kann die Fabrik das öffentliche Internet umgehen und eine direkte Verbindung mit Cloud-Diensten herstellen. Daten legen so einen kurzen, sicheren Weg bei geringstmöglicher Latenz zurück. Die Kommunikation zwischen mehreren Clouds, um die gemeinsame Nutzung von Daten und Diensten im Rahmen einer Multi-Cloud-Strategie zu ermöglichen, baut darauf auf.

Mit der Interconnection-Plattform kann des Weiteren eine geschlossene Benutzergruppe (Closed User Group, CUG) mit vertrauenswürdigen Partnern aufgebaut werden. In dieser Art Mini-Internet müssen Teilnehmer authentifiziert und Richtlinien eingehalten werden. Der Original Equipment Manufacturer (Originalgerätehersteller, OEM) als Eigentümer der Gruppe legt diese im Vorfeld fest.

Um Ressourcen öffentlich zugänglich zu machen, ist Peering für Unternehmen die zuverlässigste, sicherste und latenzärmste Option. Dazu verbinden sie sich mit ausgewählten Netzen von Telekommunikations- und Internetdienstanbietern (ISP) auf einer Interconnection-Plattform. Diese ISP-Netze versorgen die Kunden in den Märkten, in denen die Fabrikanten aktiv sind.

Die Vorteile einer modernen 5G-Smart Factory kommen erst im Zusammenspiel mit einer ebenso intelligenten Verbindung nach außen zur Geltung. Diese externe Verbindung muss niedrige Latenzzeiten, hohe Bandbreiten, eine hohe Ausfallsicherheit und eine sichere Konnektivität mit externen Netzwerken gewährleisten. Die Interconnection-Plattform von DE-CIX bietet eine Performance, die der Konnektivität eines 5G-Netzwerks gerecht wird.