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Globale Städte im Wettbewerb – Mit Vorsprung zur digitalen Gesellschaft von morgen

Ivo Ivanov, CEO DE-CIX

Gesellschaftlicher Wandel bringt Herausforderungen mit sich, aber er bietet auch Chancen. Weltweit gestalten Regionen ihre Wirtschaft bereits mit dem Ziel, ein Anziehungspunkt für global agierendes Kapital, eine Innovationshochburg und ein Standort für internationale Unternehmenszentralen zu werden. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen Anreize für die Ansiedlung von Bürgern und Unternehmen geschaffen werden. Da heute mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, widmen sich Entscheidungsträger deshalb verstärkt der Steigerung der urbanen Wettbewerbsfähigkeit. Ein entscheidender Faktor hierbei ist die digitale Infrastruktur, so Ivo Ivanov, CEO von DE-CIX, dem weltweit führenden Internet Exchange Betreiber.

Eine Stadt kann ihre Attraktivität für Investitionen, Unternehmen und Talente steigern und im internationalen Vergleich bestehen, indem sie ihr digitales Ökosystem fördert. Ein Beispiel dafür ist Dubai, wo die erfolgreiche Transformation der Digitalinfrastruktur dazu beigetragen hat, dass die Stadt heute in einem Atemzug mit internationalen Internet-Hubs wie Frankfurt, Amsterdam, London, New York, San Francisco, Mumbai, Singapur und Tokio genannt wird.  In den letzten zehn Jahren hat sich Dubai parallel zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort entwickelt, der Investitionen und Talente anzieht und globale Unternehmen dazu ermutigt, ihre Zentralen dort anzusiedeln. Dies ist nicht nur auf die Digitalisierungsstrategie der Vereinigen Arabischen Emirate (VAE) und ein modernes und effizientes regulatorisches Umfeld zurückzuführen, sondern auch auf massive Investitionen in die digitale Infrastruktur.

Die Studie „The birth of an international Internet hub: a playbook for developing a digital society“ dient als Leitfaden für Städte und Regionen, die es Dubai gleichtun wollen. Anhand dieses Vorbilds und des dort ansässigen Internet Exchange (IX) UAE-IX powered by DE-CIX wurde untersucht, wie eine Stadt oder Region zu einem internationalen Internet-Hub werden kann und welche Vorteile sich daraus ergeben. Dabei wurde auch das digitale Ökosystem berücksichtigt, das sich um diesen IX entwickelt hat. Die Ergebnisse zeigen, dass auch bislang unterlegene Regionen in Bezug auf die Digitalisierung transformiert werden können, um eine zentrale Rolle beim Aufbau einer digitalen Wirtschaft einzunehmen.

Der Kern und die Basis digitaler Ökosysteme

Die Entwicklung Dubais zeigt eindrücklich den Einfluss digitaler Ökosysteme auf die Transformation von Volkswirtschaften. Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche der Wirtschaft und des Lebens. Ein gut funktionierender Zugang zu digitaler Infrastruktur bietet nicht nur Annehmlichkeiten für unser Privatleben und wirtschaftlichen Erfolg, sondern ist auch von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung einer Stadt, Region oder Nation. Internetknoten sind als Kern digitaler Ökosysteme der Schlüssel zur digitalen Entwicklung und zum zukünftigen Leben innerhalb einer Region.

Die Vorteile eines IX lassen sich anhand konkreter Beispiele verdeutlichen. In der heutigen digitalen Welt steigt der Bedarf an daten- und cloudbasierten Diensten und Produkten. Mitarbeiter sind auf schnellen Zugriff auf ihre Geschäftsanwendungen, Daten und Inhalte angewiesen. Unternehmen, die digitale Dienste anbieten, müssen diese in bestmöglicher Qualität bereitstellen. Städte, die sich zu Smart Cities entwickeln oder intelligente Mobilitätslösungen entwerfen möchten, müssen Daten nahezu in Echtzeit senden und empfangen. Jede Millisekunde zählt für das Funktionieren von Anwendungen und den sicheren Transport von Daten. Kürzere Datenpfade sorgen dafür, dass weniger Zeit vergeht, wenn Daten zu ihrem Zielort und zurück reisen. Die geringste Latenz erreicht man durch eine direkte Verbindung von Netzwerken vor Ort über einen Internetknoten.

Beschleunigung des städtischen Wandels durch Konnektivität

Ein Beispiel aus der bereits erwähnten Studie unterstreicht die Bedeutung von zuverlässigen IXs für die Senkung der Latenz: Vor der Einrichtung des UAE-IX im Jahr 2012 mussten 90 % des lokalen Datenverkehrs die Region des Golf-Kooperationsrates (GCC) verlassen und wurden erst in Europa, Asien oder Nordamerika ausgetauscht. Dies führte zu enormen Verzögerungen, schlechter Internet-Performance und regelmäßigen Ausfällen. Heutzutage werden jedoch 90 % der Daten mit Ursprung und Zielort Dubai werden heute bereits lokal verarbeitet. Dies hat die Latenz von 200 Millisekunden (ms) im Jahr 2012 auf weniger als 3 ms im Jahr 2022 gesenkt und die Ausfallsicherheit deutlich erhöht. Das Internet in Dubai ist heute etwa hundertmal schneller als noch vor einem Jahrzehnt.

Dank der lokalen Zusammenschaltung und kürzeren Datenwege sind im selben Zeitraum die internationalen IP-Transitpreise in den VAE um 98 % und die für Breitband-Internetpreise um etwa 85% gesunken. Die Zahl der Rechenzentren hat sich mehr als verdreifacht und die Zahl der lokal registrierten Netzwerke ist um das Achtfache gestiegen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) führen nun im Golf-Kooperationsrat (GCC) in Bezug auf Festnetz- und Mobilfunk-Breitbandabonnements und haben eine Internetdurchdringung von fast 
100 % erreicht. Besonders bemerkenswert sind jedoch die Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, die aus dieser Entwicklung und einer effektiven Digitalisierungsstrategie resultieren.

Eine erfolgreiche urbane Digitalisierungsstrategie

Seit 2012 verfolgt die VAE-Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Digitales (TDRA) eine Strategie, die von einer klassischen Regulierungsstruktur zu einem moderneren, agileren und vorausschauenden Regulierungsrahmen führen sollte. Die TDRA war schon früh davon überzeugt, dass Vermittlung und Dialog zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor für die regionale Dominanz der VAE im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) von entscheidender Bedeutung sind. Diese Strategie, die auch die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung und den erfolgreichen Betrieb eines IX einschloss, hat sich in vielerlei Hinsicht bewährt.

In den letzten zehn Jahren haben sich die VAE dank verbesserter Internetverbindungen, sinkender Kosten und massiver Investitionen zu einem wichtigen internationalen Standort entwickelt. Die Zahl der internationalen Organisationen mit Hauptsitz in den VAE ist um über 700 % gestiegen, die Präsenz von Banken um 45 % und die Zahl der im Dubai International Financial Centre (DIFC) registrierten Unternehmen um 344 %. Der Nichtöl-Sektor des BIP der VAE ist in nur zehn Jahren um 35 % gewachsen. Die Zahl der internationalen Universitäten hat sich verdoppelt und die Zahl der Hochschulstudenten ist von 140.000 auf eine Million gestiegen. Diese Ergebnisse zeigen die positiven Auswirkungen der Digitalisierungsinitiativen des Landes, die mit der Einrichtung des UAE-IX und der Entwicklung eines lokalen digitalen Ökosystems begannen. Dubai hat sich zu einem internationalen Internet-Hub entwickelt und die wissenschaftsbasierte Wirtschaft hat Einzug gehalten.

Die Anziehungskraft der Interconnection

Großstädte sind aufgrund ihrer großen Einwohnerzahl und der starken Wirtschaft oftmals Vorreiter beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Doch auch Regionen abseits von Großstädten können zu einem Internet-Hub werden, wenn sie effiziente Datenübertragung und kurze Wege für den Austausch bieten. Ein etablierter IX lockt weitere relevante Netzwerke und Dienstleister in die Region und ermutigt Cloud-Dienstleister dazu, mittelfristig lokale On-Ramps einzurichten. Dies schafft die Grundlage für eine Konnektivität mit geringer Latenz, die den Anforderungen von Unternehmen und Menschen gerecht wird. Die DE-CIX Studie „The birth of an international Internet hub: a playbook for developing a digital society“ fasst alle Schritte zusammen.

Der lokale Ausbau der digitalen Infrastruktur hat weitreichende Auswirkungen, indem auch in benachbarten Regionen ohne eigene Digitalisierungsinitiativen der Zugang zu besserer Konnektivität erleichtert wird. Eine regionale IX-Infrastruktur kann somit nationale und regionale Digitalisierungsstrategien unterstützen. Immer mehr Menschen und Unternehmen können dank Hochleistungskonnektivität online gehen und über städtische, landesweite und nationale Grenzen hinweg an der digitalen Wirtschaft teilnehmen. Wirtschaftsräume außerhalb großer Metropolregionen können Wachstum für ihre lokale Wirtschaft generieren und die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Standorte erhöhen.

Laut einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind Städte mit einer hoch entwickelten digitalen Wirtschaft wettbewerbsfähiger und wachsen schneller als ihre analogen Pendants. Der steigende Datenverkehr im Internet, zunehmend latenzanfällige Anwendungen und wachsende Sicherheitsanforderungen erfordern jedoch eine hochleistungsfähige und belastbare Konnektivität. Dies wird durch Internet Exchanges und eine stärkere regionale Vernetzung ermöglicht.